Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis, das jeden Menschen durch sein gesamtes Leben begleitet. Sexualität umfasst körperliche, psychosoziale und emotionale Aspekte. Eine Trennung von Zärtlichkeit, Sinnlichkeit und Sexualität gibt es bei Kindern nicht. Wie können Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen das altersgemäße sexuelle Verhalten von Kindern von beunruhigendem sexualisierten Verhalten unterscheiden?

Wir sprechen von „sexuellen Lernerfahrungen“, die Kinder machen, wenn sie sich selbst berühren oder im zärtlichen Kontakt mit ihren Eltern oder anderen Kindern sind.

Zu einer gesunden psychosexuellen Entwicklung gehören ein gutes Körpergefühl, eine gesunde Beziehungs- und Liebesfähigkeit, sexuelle Lernerfahrungen, die Anregung aller Sinne, eine generelle Lernfähigkeit und eine Selbstbewusstheit.

Die Sexualerziehung hat viel mit der eigenen sexuellen Geschichte zu tun. Wir alle haben unterschiedliche Lernerfahrungen gemacht:

  • wie Körperkontakt geschieht
  • wie meine Grenzen geachtet werden und wurden
  • wie und wo ich Schutz bekam

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Fachkräfte ihre eigenen Erfahrungen als Kinder und Heranwachsende mit ihrer eigenen Sexualität reflektieren. Dadurch können sie verstehen, warum sie auf kindliches sexuelles Verhalten eventuell anders reagieren, als andere Teammitglieder.

Eine gemeinsame Haltung der Fachkräfte ist in Kindertageseinrichtungen in Bezug auf das Dulden und Nicht-Dulden von gesunden sexuellen Lernerfahrungen der Kinder, aber auch in Bezug auf sexualisiertem Verhalten notwendig. Deshalb ist ein Austausch im Team die Grundlage zur Entwicklung eines notwendigen Konzepts. Dabei ist es wichtig im Sprechen und Handeln authentisch zu sein, das heißt in Übereinstimmung mit dem eigenen Gefühl und dem Verstand.

Es muss uns bewusst sein, dass das Sexuelle oft eine besondere Wichtigkeit für Kinder bekommt, wenn es nicht oder wenig zugelassen wird. Das Interesse wird wahrscheinlich im Verborgenen aufleben, Kinder können dann keine Begleitung oder Schutz durch uns erfahren.

Kinder müssen im Laufe ihrer Entwicklung nicht die Unterdrückung ihrer Sexualität lernen, sondern die dafür passenden Rahmenbedingungen.

Deshalb sind starke Kinder informierte Kinder

  • die ihren Körper kennen
  • die viele Erfahrungen mit sich und anderen machen können
  • die Sprache für Körper und Gefühle haben
  • die sich ihrer Gefühle sicher sein können
  • die sich bei Bedarf Hilfe holen können

Aber was ist altersgerechtes sexuelles Verhalten und was nicht?

Altersgerechtes sexuelles Verhalten:

  • Neugier in Bezug auf Körper, Sexualität, Babys und Sexualorgane
  • Neugierig auf alles im „Badezimmer“
  • „Doktorspiele“ als eines von vielen Rollenspielen
  • Verliebt sein – sexueller Kontakt hat dabei keine Wichtigkeit
  • Spielt mit Gleichaltrigen Spiele, die mit Sexualität zu tun haben – jedoch nicht fokussiert und zwanghaft
  • Masturbiert – aber spielerisch, nicht zwanghaft

Beunruhigendes sexualisiertes Verhalten

  • Vermeidet jeglichen Körperkontakt zu anderen
  • Ist ängstlich bei Berührungen/Umarmungen
  • Setzt sexuelle Spiele auch nach STOPP fort
  • Spielt zwanghaft mit deutlich jüngeren/älteren Kindern „Doktorspiele“
  • Sucht immer wieder Kontakt zum Genitalbereich anderer Kinder oder bei Erwachsenen
  • Berührt sich zwanghaft im Genitalbereich

Bei Unsicherheiten, ob das Verhalten des Kindes im Normbereich liegt oder beunruhigend ist, hilft der Austausch im Team. Ergänzend ist eine Beratung bei den bekannten Fachberatungsstellen (z.B. Wildwasser oder Wendepunkt) sinnvoll und empfehlenswert. Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch ist die Beratung durch eine „insoweit erfahrene Fachkraft“ verpflichtend.

Wie unterscheiden sich kindliche von erwachsener Sexualität?

Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren erleben ihren Körper lustvoll mit allen Sinnen. Sie schaffen sich Wohlgefühl beim Kuscheln und Streicheln, wobei die kindliche Lustsuche egozentrisch, nicht beziehungsorientiert ist. Selbsterkundungen und Masturbation finden in der gesamten Kindheit statt. Kinder haben keine Bewusstheit über sexuelles Agieren, sie planen es nicht, sondern erleben es als eine Form des Spielens und Erforschens.

Erwachsene Sexualität ist erotisch und zielgerichtet. Sie ist auf Erregung und Befriedigung ausgerichtet und erfolgt eher beziehungsorientiert. Die erwachsene Sexualität ist oft von Schuld und Schamgefühlen geprägt.

Wenn wir mit Eltern in Kontakt kommen und die kindliche Sexualität benennen (z.B. bei der Einführung eines sexualpädagogischen Konzepts oder bei Elternabenden), sind viele Eltern erschrocken und behaupten, das eigene Kind habe noch keine Sexualität. Das Missverständnis liegt hier im Verständnis von Sexualität. Diese begleitet uns unser ganzes Leben, unterscheidet sich aber in den verschiedenen Lebensphasen in ihrer Ausprägung voneinander.

Wenn Sie Unterstützung bei der Entwicklung einer gemeinsamen Haltung der Fachkräfte in Ihrer Einrichtung, der Kommunikation mit den Eltern und der Erstellung eines sexualpädagogischen Konzepts benötigen, wenden Sie sich gerne an mich.

https://angelahollstein.de/

Ihre

Angela Hollstein

Supervision – Coaching – Workshops

Kategorien: Allgemein

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