Fankultur – ein Plädoyer für die Fanliebe
Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Ich bin ein leidenschaftlicher Fan! Seit meinem 9. Lebensjahr liebe ich es, Fan von Musikern und als Ausnahme auch Schauspieler*innen zu sein. Treu bin ich dabei allerdings nicht.
Im folgenden Beitrag möchte ich eine Lanze für die Fankultur in der Popmusik auch bei Erwachsenen brechen.
Der erste Sänger, den ich bewusst angehimmelt habe war Christian Anders. Das war 1975 und ich war 8 Jahre alt. Bei seinem Lied „Der letzte Tanz“ habe ich viele Tränen vergossen und ich fand den Sänger so unglaublich hübsch und traurig. Diese Liebe hielt aber nicht allzu lang, denn ab 1976 war ich den Bay City Rollers verfallen. Mit 9 Jahren war ich ein großer Fan von Leslie McKeown, dem Sänger der Band und habe alle Artikel in der Bravo über ihn verschlungen, mein Zimmer war mit Postern und natürlich einem Starschnitt tapeziert. In einem Interview erzählte er, dass er unter seinen Jeans keine Unterhosen trug, ich war völlig begeistert und fand diese Tatsache faszinierend.
An Bay City Rollers musste ich auch denken, als ich kürzlich das wunderbare Buch „untenrum frei“ von Magarete Stokowski gelesen habe und diese beschrieb, das sie ständig verliebt war, aber nur in Leute auf Postern oder im Fernsehen. Das sei angenehm abstrakt gewesen und es ging damals schlicht ums Üben, wie man richtig schwärmt. Ich glaube meine Schwärmerei für Bay City Rollers oder noch intensiver anschließend (ab 1978) für The Teens entsprach diesem Üben. Neben erotischen Fantasien über Robbie Bauer (mal wieder dem Sänger) ging es auch um ein Gemeinschaftsgefühl mit meiner besten Freundin, die natürlich auch Fan der Teens war, aber zum Glück für Uwe Schneider (den Gitarristen) schwärmte. Andererseits grenzten wir uns durch die Schwärmerei und unsere Fanliebe auch von unseren Klassenkamerad*innen ab, die nach unserem Empfinden noch Kleinkinder waren.
Während der Schwärmerei für The Teens konnte ich auch endlich meine ersten beide Konzerte (in der Essener Grugahalle) besuchen, bei Bay City Rollers musste ich noch neidvoll die älteren Mädchen bestaunen, die unsere angehimmelte Band live sehen durften.
Ab Anfang 1980 fuhr ich fantechnisch dann mehrgleisig. Einseits war ich gerade noch so Teens-Fan, parallel hatte ich aber meine Liebe zu Police und da natürlich zum Sänger Sting (welch Überraschung) entdeckt. Dazu hatte ich das Glück in meinem Deutschunterricht einen wunderbaren und engagierten Deutschlehrer zu bekommen, der als Beatles-Fan der Klasse die Musik der Band näher brachte und natürlich wurde ich John Lennon-Fan. Das war im Jahr 1980 allerdings tragisch, da John Lennon ja bekanntlich am 8. Dezember 1980 vor seiner Haustür erschossen wurde. Zum ersten Mal erlebte ich da mein Fandasein als sehr traurig, konnte aber dem gemeinschaftlichen Trauergefühl (der halben Klasse) auch als Gruppenerlebnis positive Aspekte abringen.
Mein unbedarftes Fandasein wurde also Anfang der 80er Jahre beendet. Einerseits wurde es irgendwie uncool bei Sängern in völlige Exstase zu verfallen, andererseits hatte ich meine ersten männlichen Freunde, so dass die abstrakte Fanliebe für meine Bedürfnisse und der persönlichen Entwicklung nicht mehr ausreichend war. Das hieß aber noch lange nicht, das ich dem Fandasein abschwor, ich tat es nur abgeklärter und vertuschter.
Um meine Entwicklung als Fan zu beschreiben, muss ich den Begriff erst einmal näher erläutern und nutze dazu die Definition von Wikipedia: „Als Fan (Fan – lateinisch Fanaticus: von der Gottheit ergriffen, in rasende Begeisterung versetzt, englisch fanatic: eifernd, sich rücksichtslos einsetzend, schwärmerisch) wird ein begeisterter Anhänger eines Musikers oder einer Musikgruppe bezeichnet. Die Intensität der Anhängerschaft variiert von Fan zu Fan.“ Dort wird auch eine Unterscheidung zwischen schwärmerischem, fanatischem und bessesenem Fan gemacht und ich kann ruhigen Gewissens behaupten, ein schwärmerischer Fan (gibt es davon eigentlich auch eine weibliche Form?) zu sein.
Nach Dr. Mike Schäfer, Leiter der Studie „Fans und Fantum“ an der FU Berlin sind drei Faktoren fürs Fansein entscheidend: die soziale Beziehung zum Fanobjekt, ein überdurchschnittliches Maß an Leidenschaft und große Investitionen ins Fanobjekt. Dr. Schäfer veröffentlicht 2010 einen Artikel über Fans und Emotionen und beleuchtete die Fankultur aus soziologischer Sicht. „Die Untersuchung derartiger Diskussionen (über legitime Emotionsausdrücke) und der damit verbundenen Reflexionen der beteiligten Akteure über ihre Emotionen wäre sicherlich eine Analyse wert. Denn die Differenziertheit emotionaler Aspekte, die sich unter Fans zeigt, ist anderswo schwer zu finden. Entsprechend dürfte gerade dieser Fall geeignet sein, um zentrale Annahmen der Emotionssoziologie zu prüfen, zu differenzieren und ggf. zu modifizieren.“(aus: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/39682)
Emotionen und Leidenschaft sind also ein großes Thema der Fankultur und auch nach meinen Erfahrungen eines der wichtigsten Aspekte meines Fanseins. Da ist einerseits das Glückgefühl, wenn ich die Musik meines aktuellen „Fanobjektes“ höre, insbesondere bei Live-Konzerten, bei denen man seine Emotionen relativ unreflektiert ausleben darf. Andererseits erleichtern die sozialen Medien auch die dauernde Präsenz des Künstlers. Während ich in meiner Jugend voller Sehnsucht auf den Donnerstag und damit auf die neue Bravo warten musste, kann ich jetzt jederzeit bei Instagramm, Twitter oder Facebook das öffentliche Leben meines „Idols“ anschauen und miterleben. Die oben erwähnte soziale Beziehung zum Fanobjekt kann also eine täglich wiederkehrende Routine werden.
Da liegt dann aber der Unterschied zwischen dem Fandasein von mir als Jugendliche und als Erwachsene. Auch wenn ich gerne und täglich soziale Medien nutze und dort den interessanten Musikern folge, sind mir die Informationen oft zuviel. Ich möchte eigentlich nicht wissen, was der von mir erwählte Sänger gerade isst oder wie er beim Sport aussieht. Die Kommentare unter den Posts zeigen aber, dass es anscheinend viele Fans gibt, die diese Dinge gerne wissen wollen.
Zurückkommend zu meiner eigenene Fangeschichte, sind seit Anfang der 80er Jahre immer wieder Gruppen oder Sänger dazu gekommen, Schwerpunkte haben sich verändert, die Liebe zu den alten Idolen habe ich aber nie aufgegeben. So höre ich auch heute noch gerne Sting und auch John Lennon, es sind aber neue Lieben dazugekommen.
Bei Sting war ich im Dezember 1986 mit meinem damaligen Freund (heutigem Ehemann) und noch einmal hochschwanger im Januar 1992 (meine Tochter ist im Februar 1992 geboren) auf zwei Konzerten in der Dortmunder Westfalenhalle. 1995 kam dann meine Fanliebe zu Take That dazu. Eigentlich war ich zu alt für die Band, da Fans standardmäßig eher etwas jünger als ihre Idole sind. Trotzdem habe ich mich in das Lied „Back for good“ verliebt und diese Fanliebe hält seitdem an. Nach der Trennung von Take That wurde ich Fan von Robbie Williams und Gary Barlow und auch heute noch kaufe ich mir jede ihrer CD´s und gehe auf ihre Konzerte (siehe #Gedankensplitter 1 auf meiner Facebook-Seite). Da es mir peinlich ist, selbst Fanartikel zu kaufen, habe ich mich vor Jahren sehr über eine Teetasse mit dem Take That- Logo von meiner Tochter gefreut. Es klingt natürlich widersprüchlich, aber manches vom Fandasein ist mir dann doch als Erwachsene peinlich.
Parallel hatte ich als Mutter aber auch das große Glück, dass meine Tochter in ihrer Jugend auch gerne Fan war. Bei ihr waren es Echt, Daniel Küblböck und Tokio Hotel. Ich habe die Zeit ihrer Schwärmerei genossen, weil sie meiner eigenen in der Jugend so sehr glich. Eines meiner schönsten Erlebnisse war der Besuch eines Tokio Hotel-Konzertes in Münster. Meine Mutter und ich haben meine Tochter dorthin gebracht und als wir sie abholen wollten, war das Konzert noch nicht vorbei und die Security ließ uns Erwachsene in den Vorraum. Die Atmosphäre der Begeisterung und Exstase bei den jungen Mädchen kam mir sofort vertraut vor und ich dachte wehmütig an meine eigenen Teens-Konzerte zurück.
Zum Glück hatten aber weder ich, noch meine Tochter die Angewohnheit bei Konzerten in Ohnmacht zu fallen, wie einige andere Fans. Ich fand das immer sehr peinlich. Das bestätigt der oben erwähnte Artikel von Dr. Mike Schäfer, der von legitimen Emotionsausdrücken innerhalb der Fangruppen schrieb. Die extremeren Fans haben sich immer schon in Fanclubs zusammengetan, die sich regelmäßig über ihre Idole austauschen und zu möglichst vielen Konzerten gehen. Dazu wollte ich nie gehören. Das Bedürfnis über einen besonderen Sänger zu reden habe ich seit meiner frühen Jugend nicht mehr gehabt und Konzerte besuche ich pro Saison auch nur einmal.
Der Höhepunkt meines persönlichen Fandaseins ist wahrscheinlich die Tatsache, dass ich mit 14 Jahren einen Musiker kennengelernt habe und diesen auch später geheiratet und mit ihm drei wunderbare Kinder bekommen habe. So habe ich meine Liebe für alles rund um die Musik in mein Leben integriert und kann das Leben aus Sicht des Musikers und des Fans leben. Für mich gibt es nichts Besseres.
Bis dahin, Eure fifty-something
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