Fast 28 Jahre lang war ich hauptsächlich Mutter. Ich habe diese Aufgabe immer geliebt und den Großteil meines Lebens danach ausgerichtet. Seit einem Jahr ist nun auch der Jüngste ausgezogen und mein Alltag hat sich dadurch sehr verändert. Zeit für einen Blick in die Zukunft und die Vergangenheit.
Da ich bereits mit 24 Jahren, mitten im Studium, mit meiner Tochter schwanger wurde, konnte ich mir bisher ein Erwachsenenleben ohne Kinder gar nicht vorstellen. Ich habe es wirklich geliebt eine junge Mutter zu sein und der Tatsache, nie wirklich mehr Geld als das Nötigste zu haben, nicht wirklich Beachtung geschenkt. Meinen ersten Sohn habe ich dann mit 27 Jahren, den jüngsten mit 33 Jahren bekommen.
Mein Berufsleben habe ich um die Kinder herum aufgebaut, mal stundenweise, mal halbtags und später Vollzeit. Ich hatte das große Glück, dass mir meine Eltern mit der Kinderbetreuung sehr engagiert geholfen haben, sodass die Kinder erst mit 3 Jahren in den Kindergarten kamen und auch anschließend im Krankheitsfall oder wenn ich länger arbeiten musste gut versorgt waren. Ich war für mich persönlich immer der Auffassung, meinen Kindern die ersten 3 Lebensjahre „schenken“ zu wollen und gemeinsam viel Zeit miteinander zu verbringen. Durch meine Arbeit im Jugendamt habe ich allerdings später schnell merken müssen, dass es für die psychische und physische Entwicklung vieler Kinder nicht optimal ist, solange nur von der Kernfamilie betreut zu werden. Das ist aber ein anderes Thema.
Ich habe also viel Zeit mit meinen Kindern verbracht und es genossen sie heranwachsen zu sehen. 2011 ist unsere Tochter als erste ausgezogen, erst in eine WG in der gleichen Stadt, dann 500 km entfernt. Das war ein großer Schritt, da ich aber noch zwei weitere Kinder zu Hause hatte und gleichzeitig auf eine Vollzeitstelle wechselte, war die Umstellung für mich nicht so groß. Beim Auszug unseres älteren Sohnes 2013 wurde es zu Hause schon weitaus ruhiger, sodass es für uns drei verbleibenden Familienmitglieder auf jeden Fall ungewohnt leise wurde. Zu dieser Zeit haben wir zwei Katzen aus dem Tierheim geholt, die ein bisschen Leben in unser ruhiges Haus brachten und auch für unseren jüngsten Sohn Abwechslung brachten. Die Umstellung war für ihn wahrscheinlich am schwierigsten, da er ja bis dahin nie mit uns Eltern alleine war. So lebte er weitere 6 Jahre als „Einzelkind“ bei uns.
Im letzten Herbst zog nun auch der Jüngste für das Studium in eine andere Stadt, sodass wir nur noch als Ehepaar übrig blieben. Während wir als Paar die neu gewonnene Zeit ohne Kinder sehr genossen, war meine Rolle als Mutter „ohne“ Kinder ungewohnt. Da schlagen wohl zwei Herzen in meiner Brust, denn als die Kinder klein waren, habe ich mir manchmal sehr gewünscht in Ruhe einen Kaffee trinken zu können. Als sie ausgezogen waren, habe ich die Gespräche mit den Kindern und Geräusche im Haus in der ersten Zeit manchmal vermisst.
Ich hatte das große Glück, dass mit dem Auszug des letzten Kindes zwei weitere Veränderungen bei uns anstanden. Zum einen mussten wir aus unserem gemieteten Haus ausziehen. Auch wenn wir anfangs vom Umzug wenig begeistert waren, ergab sich für uns daraus die große Chance unser neues Haus „kinderfrei“ einzurichten. Wir mussten also nicht überlegen, ob wir die alten Kinderzimmer freihalten oder einem neuen Zweck zuführen. Durch den Umzug konnten wir bewusst entscheiden, welche Erinnerungen mitkamen und welche entsorgt wurden. Unser neues Haus bietet natürlich die Möglichkeit, dass unsere Kinder bei uns übernachten, aber eben als Gäste und nicht in ihren alten Kinderzimmern mit nostalgischen Gefühlen. Im Rückblick fand ich den Umzug deshalb sehr befreiend und einen guten Einstieg in die neue Lebensphase.
Als zweite Veränderung hatte ich die Möglichkeit einen neuen, verantwortungsreichen Job anzunehmen. Plötzlich war ich Chefin von 50 Mitarbeiter*innen und das hat mich natürlich gut ausgelastet und tut es immer noch. Ich habe das große Glück meine Arbeit wirklich zu lieben, sodass ich die neue Aufgabe genieße. Ich kann einen Großteil meiner Energie in meinen Job legen und muss kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich länger arbeite oder abends meine Mails beantworte. Für mich war die Zeit, in der die Kinder zu Hause lebten und gleichzeitig gearbeitet habe oft von schlechtem Gewissen geprägt. Entweder fühlte ich mich als Rabenmutter oder als schlechte Mitarbeiterin. Diesen Zwiespalt kennen wohl viele Elternteile, für mich ließ sich das Dilemma nie richtig auflösen.
Die Beziehung zu meinen Kindern musste durch deren Auszug natürlich eine neue Qualität bekommen und diese Veränderungen gefallen mir sehr gut. Da ich nicht mehr dafür zuständig bin, ob die Kinder gesund essen, ihre Hausaufgaben machen oder pünktlich ins Bett kommen, kann ich mich auf die positiven Seiten des Mutterseins konzentrieren und diese genießen. Das bestätigt auch eine Studie von Forschern der Universität Heidelberg, die im Fachblatt „Plos one“ (https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0218704) veröffentlicht wurde. Die glücklichsten Menschen sind demnach Eltern mit Kindern, die bereits ausgezogen sind. Kinder im eigenen Haushalt verstärken Stress, da man neben Arbeit und Haushalt noch Energie und Zeit für den Nachwuchs investieren muss und will. Sobald Kinder ihre eigenen Wege gehen profitieren Eltern von den sozialen Kontakten mit ihnen, im Alter werden die Kinder dann (im Idealfall) zu Sorgenden.
Noch müssen meine Kinder nicht für mich sorgen, aber die persönlichen und telefonischen Kontakte mit ihnen genieße ich außerordentlich. Durch sie bekomme ich zahlreiche Denkanstöße und darf mich mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen, mit denen ich ohne sie wahrscheinlich nicht in Kontakt gekommen wäre. Ich habe dabei das große Glück, dass meine drei Kinder zu wunderbaren Erwachsenen geworden sind, von denen ich viel lernen und profitieren kann. Deshalb gehört es auch zu den Höhepunkten meines Jahres, wenn die drei mit uns in den Sommerurlaub fahren und wir gemeinsam viel Zeit für Diskussionen und Austausch haben. Wenn der Urlaub zu Ende ist, genießen wir es aber auch alle wieder in unsere getrennte Leben zurückzukehren.
Ich bin neugierig, wie sich unsere Beziehungen noch verändern werden, wenn meine Kinder eigene Familien gründen oder wir Eltern älter werden. Bis dahin genieße ich auf jeden Fall die neu gewonnene Freiheit für mich und als Paar mit meinem Mann und den temporären Kontakt zu meinen flügge gewordenen Kindern.
Bis dahin, Eure fifty-something
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