Studium mit 50

Mein erstes Studium habe ich wie die meisten Menschen direkt nach der Schule absolviert. Ich konnte mich damals schwer entscheiden, ob ich lieber Betriebswirtschaft oder Sozialarbeit studieren wollte. Durch Zufall (ich habe keine Pratikumsstelle im Bereich Wirtschaft bekommen) habe ich dann Sozialarbeit studiert. Den Wunsch mich im Bereich Management weiterzubilden habe ich mir dann erst mit 49 Jahren erfüllt.

Ich habe mein erstes Studium in Bochum mit Anfang 20 natürlich genossen, die Zeit als Studentin in einer fremden Stadt war aufregend. Ich bin mit meinem damaligen Freund (heute mein Mann) zusammengezogen und im Laufe des Studiums erwachsen geworden. Als Höhepunkt ist kurz nach der Abgabe meiner Diplomarbeit meine Tochter geboren.

Den Beruf als Sozialarbeiterin in verschiedenen Jobs in der Kinder- und Jugendhilfe habe ich immer geliebt, trotzdem hatte ich schon früh das Bedürfnis, einen Masterabschluss daranzuhängen und meinen anfänglichen Studienwunsch Wirtschaft sinnvoll mit meinem jetzigen Beruf zu verbinden.

Durch die Geburten und die Kindheit meiner drei Kinder hatte ich neben meinem Job und der Familie weder die Energie noch das Geld meinen Traum zu verwirklichen. Darüberhinaus wollte ich auch nicht einfach Wirtschaft als Zweitstudium hinzufügen. Im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass ein zweites Studium mein erstes Arbeitsfeld auf jeden Fall sinnvoll ergänzen sollte.

Erst durch das Älterwerden der Kinder und meine eigene Lebenserfahrung im Umgang mit Stress und Achtsamkeit traute ich mir ein weiteres Studium zu. Ich habe dann noch einige Monate damit verbracht zu recherchieren, welches Studium zu mir und meiner Lebenssituation passen würde. Einige Universitäten haben eine Altersgrenze bis 55 Jahre, anschließend kann man nur noch als Gasthörer teilnehmen (https://studieren.de/studieren-50-plus.0.html). Das kam für mich aber nicht in Frage, ich wollte das Studium als Weiterbildung für den Berufsalltag nutzen und nicht um meine Freizeit auszufüllen. Bundesweit studieren 128.000 Student*innen über 37 Jahre an deuschen Hochschulen (https://www.sueddeutsche.de/bildung/studieren-im-alter-reife-leistung-1.2859778). Es wird vermutet, dass die Zahl noch steigen wird, da lebenslanges Lernen ein immer größeres Thema wird. Die Zeit bis zur Rente beträgt auch für mich noch 16 aktive Berufsjahre, in denen ich hoffentlich noch einige Karriereschritte vor mir habe. Gerade private Universitäten nutzen den Trend, viele sprechen in ihren Online-Auftritten ältere Studenten an, was insbesondere an den nicht geringen Studienkosten liegt.

2016 habe ich mich dann für das berufsbegleitende Studium Sozialmanagement M.A. entschieden und hatte das große Glück eine anerkannte Hochschule dafür hier an meinem Wohnort zu finden. Nachdem ich die Zusage hatte, war ich am ersten Kennlerntag doch überrascht, dass meine Mitstudent*innen alle zwischen 25 und 30 Jahre alt waren. Bei einem berufsbegleitenden Studium mit mindestens 5 jähriger Berufserfahrung hatte ich eigentlich einige Student*innen in meinem Alter erwartet. Trotzdem hatte ich von Beginn an keine Probleme mit unserem Altersunterschied und wurde in die kleine Gruppe selbstverständlich integriert. Altersmäßig passte ich eigentlich eher zu unserem Studiengangsleiter, der aus meinem Geburtsjahrgang stammte.

Im Laufe des Studiums lernte ich dann in den anderen Studienjahrgängen einige Student*innen kennen, die meinem Alter zumindest nahe kamen. Interessanterweise hatte ich aber wenig mit den Gleichaltrigen zu tun und empfand den Altersunterschied zu den anderen als völlig unwichtig. Weder beim Lernen noch bei den Prüfungen gab es wirkliche Unterschiede zwischen uns. Allein bei der Lebens- und Berufserfahrung hatte ich den jüngeren Student*innen einiges voraus. Ein rein theoretisches Studium hätte deshalb auch nicht zu mir gepasst, mir waren die Dozenten aus verschiedenen Praxisfeldern und die Studienarbeiten, die ich im Berufsalltag integrieren konnte wichtig. Meine Masterarbeit schrieb ich zum Beispiel über die Kooperation zwischen Geburtskliniken und Kinder- und Jugendhilfe, ein Thema aus meinem täglichen Berufsleben. Meine Erfahrung und mein Wissen konnte ich adäquat in die Forschungsarbeit einbringen. So konnte mein Arbeitgeber genauso wie ich persönlich von der Vernetzung zwischen Beruf und Studium profitieren.

Meinen Abschluss habe ich im Februar diesen Jahres mit 51 Jahren gemacht und dieses auch gebührend gefeiert. Im Rückblick waren die 5 Semester anstrengend, da ich sie neben einem Vollzeitjob absolviert habe. Private Kontakte sind in dieser Zeit schwierig gewesen und einige Freundschaften sind deshalb auch eingeschlafen. Das Studium fand Freitags von 15:00-20:00 Uhr und den kompletten Samstag statt (ca. 2-3 mal pro Monat). Da blieb neben Beruf und Familie nicht mehr viel Zeit für andere Dinge. Während des Studiums habe ich zusätzlich noch meinen Arbeitgeber gewechselt, was mich natürlich auch Energie gekostet hat.

Trotzdem hat sich das Studium für mich insgesamt gelohnt. Ich habe mir damit einerseits einen langjährigen Traum erfüllt und mir darüberhinaus gezeigt, dass ich meine Ziele wirklich erreichen kann. Unerwarteterweise habe ich durch Freunde und Kolleg*innen auch viel Anerkennung erfahren. Ich bin gespannt, ob ich neben dem persönlichen Nutzen auch beruflich von der Qualifizierung profitieren werde.

 

Bis dahin, Eure fifty-something


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